Lüdenscheid. Zu einem Elternabend mit dem Thema "Sexuelle Gewalt an Kindern – was können wir vorbeugend tun?" hatte der Bezirk Hagen am 13. September 2011 in die neuapostolische Kirche Lüdenscheid-Worth eingeladen.
Bischof Manfred Bruns, Leiter des Referats Seelsorge in der Gebietskirche Nordrhein-Westfalen, führte fachkundig durch das anspruchsvolle Thema. Als ehemaliger Kriminalbeamter beleuchtete er die einzelnen Aspekte der Thematik auch durch Beispiele aus seiner aktiven Zeit im Polizeidienst und konnte somit den beinahe 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Elternabends neben theoretischen Inhalten die Zusammenhänge sehr plastisch darstellen.
Prävention – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
"Alle gesellschaftlichen Kräfte sollen an der Prävention sexueller Gewalt mitwirken", so Bischof Bruns, "und damit auch wir als Kirche. Und wir tun schon eine ganze Menge", hob er hervor. Er machte deutlich, dass Vorbeugung durch Information zur Thematik ein wichtiger Aspekt ist.
Kriminologische Aspekte
Der Bischof erläuterte, dass sexueller Missbrauch immer Gewalt ist und nicht als Versehen oder Ausrutscher abgetan werden könne. Er hob insbesondere hervor, dass Kinder in solchen Situationen niemals eine Mitschuld tragen können. Hinweise und Erläuterungen zu den einschlägigen Aussagen des Strafgesetzbuches, über Pädophilie und Pädosexuelle, aber auch Statistiken zu Missbrauchsfällen rundeten diesen Themenbereich ab. Erkennbar wurde, dass Täter und auch Täterinnen oftmals aus dem sozialen Umfeld der Kinder kommen: Aus der Familie, dem Freundeskreis, der Nachbarschaft, dem Sportverein und auch der Schule. Somit ist auch die Kirchengemeinde ein Umfeld, in dem sexuelle Gewalt vorkommen kann.
Deutlich hob der Bischof hervor, dass sexuelle Gewalt ein ubiquitäres, also weltweit auftretendes Kriminalitätsphänomen sei, dass alle Kulturen, alle gesellschafts- und Bildungsschichten beträfe. Es sei stets zu beachten, dass auch bei nicht sexuell motiviertem Handeln Kinder Anspruch auf Einhaltung persönlicher Grenzen haben.
Präventionsstrategien
Als wesentliche Bausteine der Präventionsstrategie, die im Zusammenwirken sexuelle Gewalt an Kindern vorbeugen können, stellte Bischof Bruns vor:
Sehr wichtig sei, die Kinder stark zu machen. "Sie müssen üben und verinnerlichen, dass sie "Nein, ich will das nicht!" sagen dürfen, wenn sie sich bedrängt oder unwohl fühlen", empfahl Bischof Bruns der Zuhörerschaft die Anwendung entsprechender Erziehungsstile.
Die Medienkompetenz der Kinder könne am besten durch das gemeinsame Umgehen mit den Medien gefördert werden. "Wenn wir unserem Kind das Internet oder die Nutzung bekannter Dienste verbieten, wird es wahrscheinlich irgendwann dieses Verbot schon aus kindlicher Neugier umgehen. Und wenn dann etwas passiert, wird das Kind aus Angst vor Strafe eher nichts darüber berichten", zeigte Bischof Bruns einen brisanten Aspekt von Verboten auf. "Vertrauenskultur ist daher sehr wichtig." Er rief die Eltern, aber auch die Amtsträger und Lehrkräfte eindringlich auf, das Klima zu den Kindern so zu gestalten, dass sie den Mut haben könnten zu erzählen, wenn etwas passiert ist."
Kinder, die Opfer sexueller Gewalt würden, sind dreifach traumatisiert, führte der Bischof aus. Das erste Trauma ist das Erleben der Tat selbst. Als zweites Trauma nannte er das Erleben des Kindes, dass niemand ihm hilft. Das dritte traumatische Erleben sei dann noch: Es glaubt mir keiner! "Es ist wichtig, Hinweise der Kinder ernst zu nehmen.
Was tun, wenn etwas passiert ist?
Ruhe bewahren, das Kind ermuntern, zu erzählen, Beratung beim Jugendamt oder der Kriminalpolizei einholen, zählte Bischof Bruns gute Vorgehensweisen im Verdachtsfall auf. Auch unsere Kirche hat ein Beratungsgremium eingerichtet, dem neben Apostel Rainer Storck und Bischof Manfred Bruns eine Kinderärztin, ein Rechtsanwalt und ein Psychotherapeut angehören.
Weiter zeigte Bischof Bruns mit www.wildwasser.de, LINDD e.V. und den Nummern gegen Kummer 0800-1110550 (Eltern) und 0800-1110333 (Kinder) zusätzliche Beratungsmöglichkeiten auf und gab Hinweise zur Einleitung und Wirkung von Straf- und Ermittlungsverfahren.
Auf den Punkt gebracht
Das zusammenfassende Statement des Bischofs fasste die Aspekte des Elternabends zusammen:
Wir können alle etwas tun – wir sollten uns dessen bewusst sein!"
Im Anschluss an den Elternabend äußerten viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie wichtig und wertvoll ihnen diese Zusammenkunft gewesen sei. "Für mich ist die Vertrauenskultur das Wichtigste. Und die fängt für mich zu Hause an. Die Sensibilisierung für diese Dinge ist mir sehr wichtig, aber das Vertrauen spielt doch die größte Rolle", fasste Heike Groth ihre Eindrücke zusammen. Und Anette Struck fügte hinzu: "Ich bin jetzt sehr nachdenklich und habe mir vorgenommen, hellhörig zu werden, wenn Kinder etwas sagen. Und außerdem weiß ich jetzt, an wen ich mich wenden kann."
Informationen zu "Sexuelle Gewalt an Kindern – was können wir vorbeugend tun?" sind auch im Internetauftritt der Gebietskirche Nordrhein-Westfalen zu finden: www.nak-nrw.de
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